Warum schnelle Lösungen bei Burnout nicht funktionieren

nachdenklicher Mann Photo by Ben White on Unsplash

Burnout und der Wunsch nach schneller Besserung

Als ich in meinen Burnouts festsaß, wünschte ich mir nichts mehr, als endlich mehr Energie. Und zwar sofort und auf der Stelle! Ich dachte, ich würde irre, weil die üblichen Krankschreibungszeiten hinten und vorne nicht mehr reichten. Ärzte legten mir den Gang zum Psychiater nahe. Übersetzt: Mädel, das bildest Du Dir alles nur ein.

Erholung wollte sich nicht einstellen. Egal was ich angestellte. All die schönen Ratschläge, die ich (un)freiwillig bekam - nichts davon wollte funktionieren.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich rannte also der schnellen Lösung für mehr Energie hinterher und probierte Vieles.

Manches davon hat auch ein bisschen geholfen, v.a. am Anfang. Manches nutze ich sogar bis heute. Ich gehe z.B. regelmäßig zu Akupunktursitzungen gegen Muskelschmerzen.

Ich würde schnelle Lösungen so betrachten: Kein Mensch muss mit Zahnschmerzen herumlaufen. Bekommt man am Wochenende Zahnschmerzen, auf Notfallklinik hat man keine Lust und der Zahnarztbesuch ist erst am Wochenbeginn möglich. Dann schmeiße ich mir eine oder auch mehrer Schmerztabletten ein. Zu erwarten allerdings, dass die Schmerztabletten auf Dauer das Problem “Zahnschmerzen” löst, wird wohl leider nichts bringen. Kurzfristige Lösungen haben ihren Platz. Es ist vollkommen ok, wenn man gerade akute Probleme hat, diese auch entsprechend schnell anzugehen. Vom Leiden kann sich auch niemand etwas kaufen.

Der lange Weg in einen Burnout

Nun hat man meistens Glück und Zahnschmerzen sind zügig behoben. Einen Burnout hingegen hat man sich nicht über Nacht geholt. Er geht nicht über Nacht. Heilung kommt nicht schneller, nur weil man überall herumrennt und nach der Instantlösung sucht. Dazu ist der Zustand zu komplex.

Wäre man ehrlich zu sich: Wenn man sich eine tiefe Dauererschöpfung zulegt, stünden eigentlich umfangreiche Lebensstiländerungen an, oder? Betonung liegt auf Konjunktiv: stünden. Denn in unserer Gesellschaft sind echte Lebensstiländerungen nicht erwünscht. Dafür bräuchte man Zeit. Aber man soll doch so schnell wie möglich in den Beruf zurückkehren und nicht lang herumtüdeln. Das Gesundheitssystem, das Arbeitslosensystem, das private Versicherungssystem - alle sind darauf ausgerichtet, Leute so schnell wie möglich zurück zu integrieren.

Tiefgehende Änderungen brauchen Muße und Zeit.

Sitzt man mit Erschöpfung zu Hause, wird man grundlegend von Muße und Zeit haben abgehalten. Es wird einem massiv Angst gemacht, wenn man nicht in die deutsche Bürokratie hineinpasst. Lohnfortzahlung gibt es nur ein paar Wochen; Krankengeld ein paar Monate; dann nur noch der Druck von Hartz IV und hier bitte schön regelmäßig bewerben oder Krankmeldungen weiterhin abgeben. Bloß nicht zu viel Zeit zum Nachdenken. Davon wird man nur depressiv. Für die meisten wäre das deprimierender Abstieg (mich eingeschlossen). Ich würde alles daran setzen, meiner Familie und mir sozial Abstieg dieser Art zu ersparen.

Ein kleines Beispiel für die Folgen von kurzfristigen Lösungen

Wusstest Du, dass es keine gute Idee ist, auch nur mit einer halb auskurierten Erkältung ins Büro zu gehen? Belastet man sich auf Arbeit mit etwas so Banalem wie eine Erkältung, dann greift die Belastung jedesmal ein bisschen den Herzmuskel an. Früher berücksichtigten Ärzte dies (kennt einer noch den Spruch: eine Erkältung dauert mit Arzt eine Woche und ohne sieben Tage.?) Heute wollen die meisten Erkankten selbst nur für 3 Tage eine Krankschreibung und gehen, wenn das Schlimmste vorbei ist, wieder arbeiten. Ich hatte sogar so eine Art Wettbewerb im Büro, wer am heroischsten wieder an seinem Schreibtisch saß, egal wie bescheiden es ihm gerade mit Kopfschmerzen und Schniefnase ging. Jedes Mal zupft man ein bisschen an der Substanz des eigenen Herzmuskels. Bei manchen stört das ihr Lebtag nicht. Der Rest wundert sich, warum er schon ab Mitte 50 Herzprobleme bekommt und schiebt es auf die Ernährung oder mangelnde Bewegung oder gar die Gene. Das spielt natürlich auch eine Rolle, aber eben nicht nur.

Schnelle Lösungen können Folgeerkrankungen auslösen. Manchmal erst 20 oder 30 Jahre später, wie bei regelmäßigen Belastungen trotz “kleinen” Erkältungen. Bei chronischen Erschöpfungszuständen und dem gesellschaftlichen Druck sind wir noch viel mehr bereit, schnell irgendwo Energie herzubekommen oder uns mit Erschöpfung irgendwo hinzuschleppen und so zu tun, als ob alles ok wäre. Ich hatte rückblickend jeweils nach 10 Jahren wieder einen Burnout, jedes mal härter als der davor. Was beim ersten Mal gut geholfen hat, brachte beim zweiten nichts mehr. Was dann endlich Erfolg beim zweiten brachte, verweigerte mein Körper beim dritten Mal endgültig. Jedesmal hatte ich nur nach tools, also nach “Werkzeugen” gesucht, die meinem Körper schnell Energie zuführen. Grundsätzliche Änderungen in meinem Lebensstil nahm ich aus Angst vor den Konsequenzen nicht vor. Beim dritten Mal war dann so Ende Gelände angelangt: ich musste mich an die Ursache heranwagen. Die Ursache war rückblickend, ein konventionelles Leben mit einem traditionellen, sehr anstrengendem Beruf nachzugehen. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich sagen, dass Schnellschüsse nach hinten losgehen können.

Instantlösung als erst Wahl

Die schnelle Lösung ist die, nach der wir am schnellsten suchen und greifen. Bloß keinen Elefanten aus einer Mücke machen! Das wird schon wieder. Die meisten erschöpften Menschen (mich eingeschlossen) versuchen daher zunächst, irgendwo so schnell wie irgendmöglich mehr Energie herzubekommen, um die alte Leistungsfähigkeit herzustellen. (Blöd nur auf diesem Weg: wir machen aus kleineren Elefanten Mücken. Die Elefanten in unserem Leben wachsen mit der Zeit. Großen Elefanten im Raum kann man irgendwann nicht mehr ausweichen. Dann treten sie einem so richtig fies auf den Fuß.)

Aber gut, erstmal muss die schnelle Lösung her, weil einem nichts bessers einfällt. Wenn man Kinder zu Hause hat, müssen die versorgt werden. Dann man ohnehin keine Zeit, sich um den eigenen Bauchnabel zu drehen und zu überlegen, was einem denn nun wirklich gut tun würde.

Unterstellen wir, die schnelle Methode funktioniert. Du als Klient/Patient bist glücklich. Es hat sich was bewegt. Dabei ist die Methode eher egal. Wir modernen Menschen haben eine Menge Schnelllösungen entwickelt. Hypnose, schamanische Heilsitzungen, Homöopathie, Kurzzeit-Gesprächstherapien, Akupunktur, Quantenheilung, Thetahealing, Familienstellen, usw. usw. Juhu, Dir geht es besser. Und dann? Dann machst Du wahrscheinlich mit deinem Leben weiter wie bisher. Ok, vielleicht ein paar kleine Änderungen hier und da. Das sieht man dann schon ein, dass das ein oder andere nicht so weitergeht nach einem Burnout. Den störenden Glaubenssatz, das hinderliche Familienkarma, eine sonstige Zusatzbelastung hat man schließlich mit einer beliebigen Schnellmethoder abgebaut.

Und? Wie gut funktioniert das im Marathon des Lebens?

Was bleibt?

Ich habe noch niemanden gesehen (und ich habe mir in 25 Jahren Suche nach mehr Energie viele Methoden angesehen), der in Lage gewesen wäre, durch eine 1,5h Blitz-Methode aus jemanden einen anderen Menschen zu machen. Jemanden, ohne die gesamte Belastung, die zu einem Burnout geführt hat. Ginge das, könntest Du dann ein anderes Leben als vor der Anwendung der Methode führen. Dann wärst Du allerdings auch nicht mehr Du.

Wahrscheinlicher ist, dass Du in Dein bisheriges Leben zurückkehrst, dass du vor der super schnellen Blitzmethode geführt hast. Was passiert, wenn ich wieder Leistung in ein Lebenssystem stecke, dem ich “nur” eine Schönheitsreparatur verpasst habe? Erst einmal sieht es gut aus, ist ja frisch gestrichen. Und dann? Wie wahrscheinlich ist der nächste Burnout nach ein paar Jahren mit einem nur etwas geänderten Lebensstil? Und wie sieht die nächste Erschöpfungswelle dann aus, leichter oder schwerer?

Ein Aspekt, der bei Schnellschüssen nicht unterschätzt werden sollte

Unser gesamtes Körpersystem ist ständig auf Reparatur und Heilung eingestellt - also wenn ich mir den Finger schneide, fängt die Wunde umgehend an zu heilen.

  • Unterstellt, ich pule nicht die ganze Zeit in der Wunde oder verklebe sie komplett und ziehe jede Energie aus der Heilung, weil ich gerade diese Energie für etwas anderes brauche. Interessanerweise tun wir genau das mit unseren seelischen Verletzungen. “Ein Indianer kennt kein Schmerz.” “Nun hab dich nicht so.” “Wenn Du runterfällst, steig sofort wieder auf.” “Einfach nicht hinschauen, dann passiert auch nichts.” usw. … Na, wieviele Menschen gibt es, die in Deutschland ohne solche “Aufmunterungen” aufgewachsen sind?!? Wir ziehen jede Energie aus einer seelischen Heilung ab. Die inneren Wunden bleiben stehen.

Alltagsbeispiel:

Letztens hatte meine Tochter Übernachtungsbesuch von einem Mädchen. Ihre Begleitung zu uns erklärte mir ausführlich, dass man Schmerzensausrufe bei der Kleinen nicht so ernst nehmen sollte. Sie wäre theatralisch, aber da wäre eigentlich nichts. Nun kam es, wie es bei Kindern so ist, die Kleine fiel bei uns vom Küchenstuhl. Keine körperliche Wunde. Doch die Kleine hatte sich erschrocken, weil sie nicht damit gerechnet hatte. Sie sagte gar nichts. Man sah ihr an, dass ihr richtiggehend ein Schock in den Beinen saß. Sie war nicht theatralisch. Sie konnte sich wirklich gerade nicht bewegen und brauchte Trost. Mehr nicht. Nach fünf Minuten Aufmerksamkeit hüpfte sie wieder fröhlich herum. Oh weia, kann ich da nur sagen. Kinder brauchen Trost, wenn sie sich erschrecken. Trost ist tatsächlich eine echte Schnelllösung: Denn Kinder heilen in Minuten, soweit es um Alltagsverletzungen geht. Die dazu notwendige Fähigkeit, sich schnell zu beruhigen, müssen wir als Kinder von älteren Personen jedoch erst erlernen. Die ist nicht angeboren. Statt uns diese Zeit für Kinder zum Beruhigen zu gönnen, verwehren wir den Trost unseren Kindern und suchen nach Schnelllösungen im Erwachsenenalter.

liegendes Kind Photo by nrd on Unsplash

Nun sind unter normalen Umständen seelische Verletzungen genauso auf Heilung eingestellt wie körperliche. Nur haben wir seelische Verletzungen (egal ob klein oder groß) über zum Teile Jahrzehnte weggedrückt. Heilt man jetzt mit einer guten, schnell arbeitenden Methode an einer Stelle eine einzelne innere Verletzung, merkt das gesamte Körpersystem das sofort und die nächsten seelischen Probleme melden sich: Super, endlich geht es los, sagt sich die Seele. Hier, ich zuerst, nein ich.

Destabilisierung droht, wenns dumm läuft

Wenn man Pech hat, kann eine richtig gute Heilsitzung dazu führen, dass ein Klient nach kurzer Euphorie sich hinterher drastisch destabilisiert fühlt. Alles meldet sich auf einmal. Viele Menschen erahnen diese innere Kaskade auch, ohne es benennen zu können. Sie gehen daher lieber gar nichts an und versuchen es mit Selbstmedikation (Alkohol, Tabletten… hat halt leider die bekannten Nebenwirkungen), mehr Arbeit (Mist, das ist bei Burnout schwierig), endlosem Internet- oder Fernsehkonsum… Es ist also nicht Faulheit sondern handfeste, begründete Angst, wenn man das ein oder andere innere Thema nicht auflösen will. Wer weiß, was da in einem so lauert.

Beim Yoga gibt es diese Warnungen auch: Vor zu viel Kundalini-Energie auf einmal. Die effektiven Yoga-Übungen lassen die Kundalini sehr schnell steigen - sprich, diese Energieübungen sind über Tausende von Jahren erprobt und funktionieren einwandfrei. In Indien darf man sich erst einmal eine sehr solide Meditationspraxis erarbeiten, bevor man sich daran wagt. Im Westen ist der ein oder andere, der diese Techniken auf Turbo bei sich anwendet,
schon in der Klapse gelandet. Innere Stabilität, Erdung im eigenen Körper sind hier die Zauberworte.

Ohne Burnout kann man den Heiltrip auf der Überholspur als Herausforderung sehen und die Ärmel hochkrempeln. Dann fühlt man sich halt eine Weile ziemlich schietig und dann wirds besser. Ich habe schon ein paar Erfahrungsberichte dazu gelesen. Neid, warum ich das nicht kann!?!

Mit Burnout darf es gemütlich sein

Turbogang bei Erschöpfung? Na schönen Dank auch. Emotionale Turbolenzen braucht man eigentlich nicht oben drauf. Wie wäre es mit vorsichtig, langsam, Schritt für Schritt und nicht noch mehr Destabilisierung? Was sagte meine eigene Therapeutin dazu:

Stell Dir vor, du hast einen Rollator. Und zwar nicht den mit Rollen dran, nein, nein, den zum Vorwärtsstellen. Ein Schritt, stellen, wieder ein Stück weiter und wieder ein Schritt. Diese Einstellung brauchst Du, um aus dem Burnout herauszukommen. Jeden Tag einen Schritt.”

Boah, habe ich sie dafür gehasst. Rollator. Wie unsexy. Und wann bitte soll ich da irgendwo ankommen? Hä? Aber sie hatte Recht. Einen Minischritt pro Tag. Man ist nach einem Jahr vielleicht nur 37% fitter. Soweit ich es integrieren kann! Nach 2 Jahren vielleicht schon mehr Leistungsfähigkeit, als vor dem Burnout, vorausgesetzt man hat die eigenen Hausaufgaben gemacht. Und in dieser Stabilität des langsamen Schrittes kann ich mir auch eine intensive Heilsitzung zu irgendeinem Thema gönnen.

Wie sieht es mit Deiner Erfahrung zu Methoden aus, die einem eine schnelle Heilung versprechen. Hat Dir schon etwas dauerhaft geholfen? Oder hattest Du eher schlechte Erfahrung? Wenn Du magst, hinterlasse doch einen Kommentar unten.

Wenn Du Dich auf einen nachhaltigen Weg aus dem Burnout machen will, findest Du hier mein Angebot.