Was der Red Queen Effekt mit Burnout zu tun hat

Red Queen

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Du hast das Gefühl, durch Dein Leben zu rennen und doch nirgendwo anzukommen?

Das große Rennen, ohne vom Fleck zu kommen.

„Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“ sagt die Rote Königin zu Alice in dem Buch Alice hinter den Spiegeln von Lewis Carroll. Dieses Bild übernahm ein Biologe, um in den 70ern des letzten Jahrhunderts evolutionäre Vorgänge aus seiner Sicht besser zu erklären.

Nehmen wir einmal den Geparden als Produkt der Evolution. Der Gepard ist ein schnelles Tier. Nun frisst er gerne Antilopen. Antilopen haben kein Interesse daran, gefressen zu werden. Die Tiere, die besonders schnell rennen, werden seltener gefressen, können sich also besser fortpflanzen. Die langsameren sind mit der Zeit weggefressen. Nun hat der Gepard Hunger. Die Geparden, die etwas schneller jagen können, überleben besser, können sich besser fortpflanzen usw. usw. usw. Ein evolutionäres Spiel über Jahrtausende, ohne dass man vom Fleck käme.

Ergebnis: Die Balance bleibt bestehen, nur ist es jetzt mehr Aufwand für die Tiere.

Dabei ist die Geschwindigkeit des Geparden im evolutionären Spiel der immer weiter steigenden Höchstleistungen austauschbar. Es könnte genauso gut eine angepasstere Fellfarbe, eine geschicktere Jagdtechnik oder mehr Nachwuchs als gefressen werden können sein. Über Jahrhunderte passen sich Tiere ihrer natürlichen Umgebung an, werden immer bessere Profis ihres Überlebens. Der immer höhere Aufwand, um zu überleben, gleicht sich gegenseitig aus. Echte Gewinne trägt keine Spezis davon. Wenn doch, so gerät ein ökologisches System aus dem Gleichgewicht. Frisst eine Tierart zu schnell zu viel, wächst nicht genug nach, die Tierart würde sich selbst auslöschen.

Der Gepard und all die anderen überlebenden Tierarten landen für gewöhnlich nicht im Burnout, weil das evolutionäre Spiel über Jahrtausende läuft. Mal abgesehen davon: Nach einer Jagd liegt ein Gepard ziemlich faul herum.

Der Red Queen Effekt

Das Modell hat seinen Weg auch in die Wirtschaft gefunden. Es beschreibt die Notwendigkeit einer Firma, die in Konkurrenz zu anderen Unternehmen in einem bestimmten Wirtschaftszweig steht, immer mehr in den Kampf um Kunden als der nächste Konkurrent zu investieren. Hat Mercedes ein technisches Gimmick in sein Auto gebaut, wird es nicht lange dauern, bis die unmittelbaren Konkurrenten hochpreisiger Autos nachziehen. Die Investition hat nur für einen kurzen Moment einen Vorteil erbracht. Danach bedeutet es letztlich eine No-Win Situation. Mercedes kann das Spiel auch nicht aufkündigen, weil das Unternehmen davon ausgehen müsste, dass die anderen hochpreisigen Autobauer früher oder später eine schickere Ausstattung vorweisen würden. Mercedes bliebe auf seinen Autos sitzen.

Der Red Queen Effekt übertragen auf das Sozialleben

Der Red Queen Effekt scheint mittlerweile ein Modell zu sein, mit dem sich auch unser Sozialleben beschreiben ließe. Wir tendieren dazu, unser Arbeitsleben, Hobbies, Freundschaften oder Familie so zu gestalten, dass wir in einem immer währenden Konkurrenzkampf stecken, nur viel schneller als draußen in der Natur. Der Konkurrenzkampf der Natur läuft über Jahrtausende ab. Beim Menschen scheint er zu einer Frage von Tagen, Wochen, Monaten geronnen zu sein. Ein Flucht-und-Kampf-Reflex, der 24h am Tag läuft.

Wer hat die anerkannteste Ausbildung, den besten Job, die schönste Wohnung, die exklusivste Frau, die schickste Kleidung… Egal, welchen Invest man tätigt, in kürzester Zeit ist er nicht mehr so fancy und schon muss etwas Neues her.

Das ist und bleibt eine neue NO-WIN-Situation. Wer so sein Sozialleben gestaltet, hat gewisse Chancen auf einen Burnout. Trotz des wahnsinnigen Tempos wirkt das eigene Leben, als habe jemand auf die Pausetaste gedrückt, irgendwie sinnentleert, obwohl man wie ein Wilder durch die Landschaft rennt. Der Red-Queen-Effekt vom Feinsten.

Zumindest, wenn man die Wachstumsfaktor der Natur auf diese Weise für sich denkt und lebt. Die Red-Queen-Hypothese des Evolutionsbiologen, also Evolution mit der Aussage aus Alice hinter den Spiegeln zu vergleichen, ist letztlich nicht ohne Kontroverse geblieben.

Zwei Schritte, die sich als Ausweg anbieten

Das evolutionäre Spiel ließe sich auch anders beschreiben. Die Natur kennt drei Haupt-Zustände: Schöpfung/Wachstum, Erhalt des Status Quo, Zerstörung. Dabei ist Wachstum der Zustand, der sich auf lange Sicht durchsetzt. Einfach nicht mehr mitlaufen macht natürlich keinen Sinn. Hätten sich Menschen dafür entschieden, würden wir vermutlich noch 1MB-Chips in unseren Computern haben. Und überhaupt, wer will schon noch in Höhlen hocken? Stehen bleiben ist keine sinnvolle Option.

Schöpfung und Wachstum als sinnstiftende Prinzipien verstehen

Ich kann meine Sichtweise auf mein Leben ändern: Die Natur unterstützt Wachstum. Wachstum/Investition macht Spaß: Wenn ich das tue, was ich tue, mit Freude tue. Investiere ich in meine Persönlichkeit, wachse ich, egal ob der Nachbar das Gleiche tut. Investiere ich in meine Ausbildung, wachsen meine Fähigkeiten und mein Wissen. Egal, ob der Kollege das auch tut oder nicht.

Ich kann meinen Wachstum spielerisch angehen - was macht mir Spaß? Wofür will ich meine Zeit investieren?

Erst wenn ich anfange, mich permanent zu vergleichen: Bin ich (oder mein Nachwuchs) durch diese Investition konkurrenzfähiger als andere (früher ins Büro kommen als andere, noch schnell einen MBA nebenbei, Fahren der Kinder zu sechs verschiedenen Nachmittagsbeschäftigungen pro Woche) …? Dann beschleunigt sich durch die gefühlte Notwendigkeit konkurrenzfähiger zu sein das Leben ins Unermessliche ohne die Freude an der Investition an sich.

Der Tag verdichtet sich zu einem einzigen Flucht-und-Kampf-Rhythmus. Du rennst so schnell Du kannst und kommst doch nicht vom Fleck.

Oder ich lasse den Vergleich. Denn der führt immer zu einer No-Win-Situation. Investitionen sind natürlich immer relativ - Investiere ich in meine Fähigkeiten, werden andere wahrscheinlich auch investieren. Und dadurch kann kein absoluter Gewinn entstehen. Freude daran ist der Schlüssel. Was, wenn man schon nicht mehr weiß, was einem innere Freude bereitet? Da hilft nur eins: Ausprobieren. Wie Kinder sich einfach auf was Neues einlassen. Erst vorsichtig. Macht keinen Spaß? Dann vorsichtig etwas anderes antesten… Bei dem Bleiben, was einem Freude bereitet.

Bewusster Wachstum

Ich kann mich bewusst entscheiden, worin ich meine Energie investiere. Das ist der große Unterschied zum Katz-und-Maus-Spiel der Natur. Dort ist es ein unbewusster Vorgang, der über Jahrtausende Neuschöpfungen sichert und eine innere Balance im Öko-System erzeugt.

Der Gepard hat sich nicht bewusst entschieden, das schnellste landlebende Tier zu werden. Du kannst entscheiden, womit Du Dein Wachstum gestalten kannst. Was der Gepard uns auf jeden Fall lehrt: auch wenn er das schnellste landlebende Tier ist, zwischendurch liegt er stundenlang faul herum. Als Mensch bekommen wir diese Pausen nicht “unbewusst” geschenkt wie dem Geparden. Wir müssen sie ebenso bewusst einlegen wie wir unsere Energie bewusst einsetzen können.

Kooperation und Symbiose

Ein mittlerweile von vielen Biologen als mindestens ebenso große Kraft der Evolution betrachtet: Kooperation. Wo kannst Du Kooperationen zu Deinem und dem Wohle aller eingehen?

Zu guter letzt

  • Welcher Energieeinsatz ist für Dich persönlich sinnstiftend, unabhängig davon, ob Dir dies einen unmittelbaren Vorsprung vor anderen bringt?

  • Wofür genau willst Du Deine Energie einsetzen?

  • Wann genau sind ausgiebige Pausen möglich?

  • Wo kannst Du mit anderen sinnvolle Kooperationen finden, die allen dienen?

  • Wie genau müsste die Situation aussehen, wenn Du das lieben würdest, was Dich gerade so hetzen lässt, dass Dir zu Zunge bis zum Boden hängt?