Erprobte Wege aus Erschöpfung. Mit dem Inneren Kind.
Hilfe, ich habe eine Alltagssucht! Wie Du sie in 7 machbaren Schritten in Selbstliebe wandeln kannst.
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Alltagssucht heißt Selbstmedikation
Alltagssucht lässt sich in hunderten von Varianten finden. Wenn man sich im Alltag umschaut, betäuben sich die aller/aller/allermeisten Menschen mit irgendetwas, um ihren Alltag besser zu bewältigen. Jeder hat so seine Art, Alkohol, Binchwatching, Solitaire, Sport, Schokis, Chips, Surfen bis zum Abwinken, Facebook, Vereinsarbeit bis zum Umfallen, Putzen, Workaholic…
Was bedeutet es eigentlich einer Alltagssucht nachzugehen? Im Grunde verschreibt man sich selbst ein Medikament für eine unangenehme Situation, das wie alle Medikamente heftige Nebenwirkungen haben kann.
Zunächst: Für eine Alltagssucht gibt es immer einen sehr guten Grund! Selbstmedikation ist absolut normal. Die Art von Leben, das wir inzwischen führen, hat sich in den letzten 200 Jahren in einer ungeheuren Geschwindigkeit verändert. Die Evolution des Körpers hatte allerdings noch ganz andere Herausforderungen zu bewältigen gehabt als heute. Daher sind wir jetzt nicht superdupi für unser Leben im Hier und Jetzt ausgestattet. Daher:Selbstabwertung als erstes einstellen! Gedanken, wie: Man, eye, jetzt habe ich schon wieder … Dabei wollte ich doch endlich … darfst Du gerne einstellen. Falls Du magst. ;-) Das macht Dich nicht charakterschwach.
Noch etwas vorab: hier geht um Alltagssüchte. D.h., um störende, quälende Handlungsweisen, die zwar unangenehm sind, aber nicht grundsätzlich Deine Alltagsfähigkeit außer Kraft setzen. Also das, womit viele mit sich kämpfen Tiefgreifendes Suchtverhalten, wie Alkoholismus, Drogensucht etc. sind hier nicht gemeint. Dann benötigt man eine Entzugsklinik und in der Regel eine sehr engmaschige Suchttherapie. Die eigene Persönlichkeit muss überhaupt erst einmal wieder aufgebaut werden. Daher, das als kleiner Diclaimer, dafür ist das Folgende nicht gedacht!
Sieben im Alltag machbare Schritte, um Alltagssüchten beizukommen
- Wenn Du das nächste Mal wieder Dein Bedürfnis verspürst, unbedingt Dich mit Deiner Alltagssucht abzulenken (endlose Sporteinheiten, aus einem Solitaire-Spiel werden 100, jeden Abend das Absackerbierchen, unendliche Reihen an Twitter-Nachrichten…): vielleicht kannst Du dich überreden, damit 10min zu warten? “Gleich mache ich das…, aber bis dahin setze ich mich 10min hier aufs Sofa und atme.” Dann schau mal, was genau in Dir hoch kommt. Da wird etwas sein! Meist will man dann sofort aufspringen und hin und herrennen, oder eben sofort mit der Alltagssucht beginnen. (Ahhhrg! Bloß weg damit! Das halte ich so nicht aus!) Verspricht man sich selbst vorher, nur 10min zu warten, kann man es meist doch aushalten.
- Im Nachhinein aufschreiben, was hochkam. Einfach beobachten. Vielleicht genügen schon die Aufzeichnungen von 1x, manchmal braucht man schon ein paar solcher Sucht-Momente, um genau einzufangen, was hochkommt. Stelle Dir vor, Du willst einem Alien, das die Intelligenz einer Kartoffel und noch nie die Erde gesehen hat, ganz genau erklären, was da hochkommt. Dann lass die Beschreibungen erst einmal ein paar Tage auf Dich wirken. Genauso offen sein wie dieses neugierige Alien. Wissenschaft in eigener Sache betreiben. ;-)
- Nun überlegst Du in einem Moment, in dem es Dir GUT geht: Wenn es ein,e gute,r Freund,in wäre, dem/der es genau so erginge, wie Du es in Deinen Aufzeichnungen beschrieben hast, was würdest Du ihm/ihr stattdessen raten? Es muss etwas sein, dass genau dieses Bedürfnis, das da hoch kam, trifft. (Deswegen auch so genau mit offenem Geist und guter Spürnase aufschreiben.) Also z.B. ich bin so unfassbar einsam: dann bräuchte diese,r Freund/Freundin eine,n echte,n Freund,in, der/die einfach bei ihr/ihm sitzt. Oder: er/sie fühlt sich so klein und hilflos. Dann bräuchte der Freund/die Freundin vielleicht eher jemanden, der unendlichen Schutz bietet. Oder: da ist purer Hass hochgekommen. Dann bräuchte der/die Freund,in eher etwas, was er/sie kurz und klein schlagen könnte. Oder er/sie ist soooo hungrig und keiner kümmert sich. Zwar ähneln sich die Bedürfnisse, wir sind alle Menschen, dennoch hat jeder sein ganz eigenes Geschmäckle. Genau das gilt es zu treffen.
- Bitte erstmal nichts davon im Außen ausleben. Schon gar nicht Hass, sondern im Inneren. Das heißt: Du stellst Dir vor (vielleicht mit einem Plüschtier oder vor dem Spiegel), wie es wäre, wenn diese,r Freund,in genau das bekäme, was er/sie eigentlich bräuchte. z.B. In Deiner Vision entsteht ein,e perfekte,r Freund,in, der/die keine eigenen Bedürfnisse hat, sondern nur zuhört. Oder ein Kampfplatz mit Baseballschläger, um endlich mal diesem Hass Ausdruck zu verleihen (bitte niemals vorstellen, echte Menschen zu schädigen, immer Gegenstände oder Dummies abknallen, zerschlagen, in die Luft sprengen etc.). Oder ein unendlich kraftvolles Schutzwesen, das unüberwindlich ist und bei dem man sich so sicher fühlen kann wie nie zuvor im Leben. Oder ein wütender Hulk, der alle Angreifer wegpustet. Oder eine perfekte Oma, die das beste Essen aller Zeiten kocht. Oder 20 Husky-Welpen, die so kuschelig und verspielt sind, dass einem das Herz aufgeht, oder, oder, oder. Dein System wird wissen, was diese,r Freund,in wirklich braucht - anstelle …
- Wenn das innere Bild gut klappt (noch hast Du nichts im Außen verändert): Überlege Dir, in welchen Momenten dieses Bedürfnis nach der Alltagssucht hochkommt. Wann ist das? Gibt es eine Uhrzeit, einen Tag in der Woche, einen Moment, in dem etwas erledigt werden muss… Ist es völlig erratisch und unvorhersehbar, lässt sich wirklich gar kein Muster erkennen? (Auch das würde etwas über Dein System sagen.)
- Nun hast Du Dich dem eigentlichen Bedürfnis genähert und weißt vielleicht auch, wann es häufiger als sonst auftritt. Dann überprüfe einmal, was Du in einem solchen Moment tun könntest, was Dich aus einer Trance (ich muss jetzt einfach mir etwas Gutes tun und Schokis futtern, ein Absackerbierchen trinken, Solitaire spielen, mich mit Nachrichten zuballern… jetzt! sofort!) für einen Moment herausholen könnte. Einen Aufmerker! Es muss etwas sein, dass extrem einfach ist und gut von Dir vorbereitet werden kann. Erwarte nicht, dass in diesen Momenten Dein Großhirn noch verstandsmäßig Dir beispringt. Das tut es leider nicht. In solchen Stressmomenten, in denen man immer wieder in alte Gefühle hineinrutscht und sich daher umgehend selbst medikamentieren will, ist nur Dein Flucht- und Kampfsystem in Deinem Nervensystem angeschaltet. Biologisch so vorgegeben ist man leider so intelligent wie eine Kartoffel. (Daher sind sinnvolle Vorsätze auch so sinnbefreit.) ABER man kann sich durchaus selbst überlisten. Z.B. ein großes Stoppschild malen, unter dem genau drauf steht, was Du stattdessen tust und was Du vorher im Trockenen geübt hast (siehe unter 4.). Vielleicht kann Dir Dein Handywecker helfen (falls es eine bestimmt Uhrzeit ist), ein Post-it an Deiner Kaffeemaschine, eine reale Person in Deinem Leben, die tatsächlich freundlich ist, und die Dich erinnert…. Auf Deinen Zettel steht ganz genau drauf, was Du jetzt brauchst. Z.B. eine Freundin, einen Baseballschläger, ein Griesbrei mit Kirschen, ein riesiger Schutzengel…
- Jetzt kommt das Umsetzen: In dem Moment, in dem Du Dein Bedürfnis nach Deiner Alltagssucht wieder verspürst und Du merkst, wenn ich dem nicht nachgeben, dann: ich bin so einsam/klein/nichts wert etc., schaust Du auf dieses Schild, auf den Zettel und visualisierst 10 min lang genau das, was da drauf steht (daher bitte vorher in Momenten, in denen es Dir gut geht, üben, damit es dann auch klappt, weil Dein Großhirn wie gesagt keine große Unterstützung sein wird. Eingeübte Bilder lassen sich aber meist doch abrufen.) Sollte das gar nicht klappen, müsstest Du etwas finden, mit dem Du in Bewegung kommst. D.h. vor die Tür gehen, auf einen Stepper rauf, Dein Bad Putzen (so nicht genau das Deine Sucht wäre), weil mit der Bewegung die Stresshormone so weit abgebaut werden können, dass Dein Großhirn wieder anspringen kann.
Zu guter Letzt: die Königsdisziplin
Wenn das innerlich gut klappt und Du Dein Bedürfnis nach der Sucht aufschieben kannst, in dem Du Dir selbst innerlich bietest, was Du eigentlich bräuchtest, sollte die Sucht nach und nach schwächer werden. Natürlich ist da keine Garantie, aber es bestehen sehr gute Aussichten.
Königsdisziplin: Du gibst Dir im Außen, was Du Dir innerlich vorstellst. Im Inneren hast Du keinen Mangel. D.h., Du kannst Dir die perfekte Oma, den gefährlichsten Schutz-Ninja, den gigantischsten Schutzengel aller Zeiten vorstellen. Im Außen ist das schwieriger. Such nach etwas, was in die Richtung geht. Die perfekte Oma macht Dir Dein Lieblingsessen? Dann versuche es ab und zu Dir selbst zu kochen. Ins Restaurant fällt leider gerade aus. Dein Bedürfnis wäre 10 Jahre zu schlafen? Naja, ginge es vielleicht doch, dass Du mal gelegentlich etwas früher ins Bett kommst. Oder (falls es irgendwann auch ein normales Nach-Corona gibt) Du gehst ins Karatestudio und lernst mehr und mehr, Dich selbst geschützt zu fühlen. Umgekehrt: Wenn die Muskeln eigentlich nur nach Entspannung schreien, dann wäre vielleicht mal weniger Sport und mehr Badewanne angesagt.
D.h., Du findest etwas, dass Du auch im Außen für Dich Gutes tun kannst. Du für Dich!!! Du wandelst dieses Coping-Mechanismus “Alltagssucht” in etwas, dass dir gut tut. In Deine Liebe zu dir selbst. Du bist von niemandem im Außen abhängig. Und Du musst auch niemanden dazu bekommen, genau das zu bekommen, was Du brauchst. Gelebte Selbstliebe pur!
Bei Hass: Natürlich nicht im Außen jemanden schädigen. Nicht einmal im Inneren (wie ich oben schon beschrieben habe), aber vielleicht kann man beim Freund im Garten Holz hacken oder Volleyball-Spielen, oder sich eine Stunde Bagger-Fahren gönnen und sich vorstellen, wie man alles umpflügt, was einem so richtig die Galle hochgehen lässt, damit man dieses - Ich muss auf etwas/jemanden einschlagen - auf konstruktive Art und Weise Ausdruck verleiht. Meiner Erfahrung nach gilt das für beide Geschlechter, sogar mehr für Frauen als für Männer, möglicherweise weil gesellschaftlich betrachtet Männer mehr Erlaubnis haben, Wut im Außen Ausdruck zu verleihen als das für Frauen schicklich gilt.
Wie gesagt: das ist die Königsdisziplin. Wenn einem 10 kuschelige Husky-Welpen gut tun, würde ich mir persönlich keine echten Huskys zulegen. Erstens wachsen die und zweitens sind das extreme “Gebrauchshunde”, d.h. die haben auch extreme Bedürfnisse, die man ohne Schlittenhundschule in Alaska kaum wird bedienen können. In Deinem Inneren haben die Welpen hingegen keinerlei Bedürfnisse, müssen niemals Gassi geführt werden.
Von der Hirnchemie macht es keinen Unterschied, ob man sich ein 100Sterne Hotel vorstellt und sich in jeder Hinsicht umsorgen lässt oder ob man sich das im Außen überhaupt leisten kann. Dein Gehirn wird Oxytocin und andere Wohlfühlhormone ausschütten, ob es real passiert oder vorgestellt ist in allen Farben inkl. Geruch und Geräusche.. (Das gleiche gilt leider auch in die andere Richtung, sich auf Dauer Sorgen machen ist daher ziemlich unbekömmlich.)
Verbiete Dir nicht, Deiner Sucht nachzugehen.
Der Trick: Schiebe Deine Alltagssucht für einen für Dich überschaubaren Zeitraum auf. Lass Dir in dieser Zeit genau das zu Gute kommen, was du brauchst.
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Verbietest Du Dir die Sucht, dann löst das in Dir wahrscheinlich nur noch einen heftigeres Bedürfnis nach der Selbstmedikation aus. Denn dann legt der innere Anteil in Dir los, einen sensiblen, überforderten Teil in Dir, also ein sensibles Innenkind schützen zu müssen. Dieser Schutzanteil ist unmittelbar mit Deinem Flucht- und Kampfsystem verbunden. D.h., der ist auf Überleben ausgelegt. Schon mal versucht, eine Tigermutter davon abzuhalten, ihr Kleines vor einer Gefahr zu retten?
Wenn Du Dir diesen Kampf vorstellen kannst, dann hast Du ungefähr den Druck erfasst, der in Dir abläuft, wenn Du versuchst, Dir Deine Alltagssucht zu verbieten, also Alkohol zu trinken, Sport als Sucht zu betreiben. Holla, die Waldfee! Dann geht es rund in Dir. Da will niemand sich freiwillig dazwischen werfen. Daher hat es nichts mit Willensstärke zu tun, wenn Dein Verstand Dich nicht von Deiner Alltagssucht abhalten kann.
Aus diesem Grund ist es günstig zu schauen, dass es von vornherein nicht mehr notwendig ist, diesen Überlebens-Schutzanteil in Dir hochgehen zu lassen. Denn der hat eine Methode gefunden (Alltagssucht), um das Sensible in Dir zu schützen. Er weiß bisher nicht, sich sinnvoller/besser zu helfen, als diese Sucht, damit Dein sensibles Innenkind geschützt bleibt. D.h., Du bringst Dir selbst und Deinem psychischen System mit der Zeit Beweise an, dass es anders geht! Wie alles, was man neu - und v. a. in diesem Fall - UMlernen muss, dauert es ein bisschen. Ein bisschen Geduld und Spucke braucht man schon.
Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg. Du schaffst das.
Wenn es nicht klappt
Dann liegt das vermutlich weder an dieser Übung noch an Dir, sondern daran, dass sich mehrere Bedürfnisse über einander gelegt haben. Das ist allein extrem schwierig auseinander zu dröseln. Also zumindest mich können verhedderte Knoten in einer Anorakschnur wahnsinnig machen. Genau so kann es Dir damit ergehen. Sich mit dem sensiblen Anteil und diesem sehr kräftigen Schutzanteil in Dir auseinander zu setzen, ist machbar! Die Überschrift dieses Artikels war ernst gemeint. Aber auch herausfordernd.
Oder lass Dir helfen und buche bei mir Unterstützung. Zu zweit kann man so viel leichter Klarheit ins System bringen. Quäl Dich nicht! Das macht am aller wenigsten Sinn. Dafür ist Deine Lebenszeit dann doch zu schade.