“Perfekt - aber ausgebrannt - Warum wir Perfektionismus nicht einfach loslassen können."

Mann in Stresshaltung

Photo by Roland Samuel on Unsplash

Perfektionismus ist ein guter Weg in einen Burnout und in schlechten Schlaf oben drein. Leider kann man Perfektionsmus nicht einfach abstellen. Geht es dir auch so?

Eigentlich möchtest Du lieber glücklich/effektiv/vielseitig/… als perfekt sein? Das klappt aber irgendwie nicht? Einfach mal locker lassen?

Ein Glaubenssatz, warum wir nicht einfach aufhören können, perfekt zu sein

Der unterschwellige Glaubenssatz,, den wir meist gar nicht merken, lautet: ich bin erst liebenswert/anerkannt/respektiert/…, wenn ich alles perfekt mache.

Die Gedanken, die einen dazu antreiben, perfekt zu sein, obwohl wir vom Verstand her schon lange dies nicht mehr sein wollen, werden in der Psychologie als Introjekt bezeichnet. Introjekte entstehen so: Einem Kind wird in seiner Kindheit etwas von Bezugspersonen (meist die Eltern) vorgelebt. Von diesem Vorgelebten hat man ein inneres Bild gemacht, so wie man es am besten verstanden hat. Ist das Bild angenehm, übernehmen wir es als etwas, das zu uns gehört. So sind wir dann auch.

Ist das Bild jedoch unangenehm, dann fühlt es sich fremd in uns an und wollen damit am liebsten nicht zu tun haben - jedenfalls als Erwachsene nicht mehr. Ergebnis: Entweder wir leben das Gegenteil - was auch anstrengend auf Dauer ist und meist nicht den Erfolg bringt, den wir gerne hätten. Das Introjekt geht davon nicht weg. Oder wir leben das innere Bild zum Teil aus, das wir vom Erlebten gemacht haben und schieben es immer von uns weg: Irrghs, das ist gefühlt kein Teil von uns (Introjekt). Manchmal kann man sogar beide dieser Möglichkeiten ausleben, um um dieses unangenehme innere Bild herumzukommen.

Tatsächlich ist ein Introjekt trotz dieses Gefühl von Fremdheit (eher wie meine Mutter… genau wie mein Vater… erinnert mich an meine,n…) ein Teil von uns, dass uns vor der damals unangenehmen Welt da draußen schützen wollte. Schieben wir den inneren Anteil weg, so gehen wir in einen Kampf gegen uns selbst. Den können wir nicht gewinnen. Also dem Perfektionismus in uns den Kampf ansagen funktioniert schon mal nicht.

Der innere Antreiber zu immer perfekteren Ergebnissen

Daher möchte ich Dir hier gerne ein paar Ideen vermitteln, die Deine Einstellung zum Antreiber in Dir, immer perfekter zu werden, verändern können. Betrachte Deine Art von Perfektionismus als etwas, dass Du entwickelt hast, um in Deiner Kindheit zurecht zu kommen. Wir können in unserer Kindheit Erziehungsmaßnahmen nicht entkommen. Wir sind als Kinder vollständig darauf angewiesen, dass wir versorgt werden. - Egal, wie die versorgenden Personen so drauf sind. Daher sind wir als Kinder evolutionär darauf angelegt, etwas innerlich zu tun, um nicht die Beziehung zu unseren Bezugspersonen abbrechen zu müssen.

Wirkung eines solchen Introjektes

Die Wirkung lässt sich im Alltag schnell sehen. Stell Dir vor, Du hattest z.B. eine umfassend glückliche Kindheit gehabt. Du wurdest so geliebt, wie Du warst. Niemand erwartete von Dir, makellos zu sein. Erst später triffst Du auf einen Chef. Er verlangt heute von Dir absolut makellose, perfekte Ergebnisse. Du würdest Dich nur über so einen seltsamen Menschen wundern. Möglicherweise betrifft Dich diese Anforderung des Vorgesetzten ohnehin nicht, sondern nur andere KollegInnen, die sich dem Druck der Perfektion ausgesetzt sehen. Du hingegen sitzt nur da und zuckst mit den Schultern. Das ist häufig der Grund, dass manche Menschen mit dem spezifischen Vorgesetzten sehr gut zurecht kommen. Andere hingegen (mit dem passenden Introjekt in sich) haben das Gefühl, der Chef hat es nur auf sie abgesehen… Ohne das Introjekt bist Du gar nicht Ziel einer Anforderung nach Perfektionismus und wenn doch suchst Du Dir einen neuen Job ohne perfektionistischen Chef. So einen Unsinn tut man sich als Erwachsener nicht lange an.

Warum ein Introjekt so anhänglich ist

Als Kind geht genau das nicht. Wir müssen alle Erziehungsmaßnahmen ertragen. Die Menschen um uns garantieren unser Überleben. Also ist in Kindern eingeprägt, die Bindung zu den Menschen um sie herum aufrecht zu erhalten, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Wenn eine Bezugsperson nicht so nett ist, entwickeln wir innere Überlebensstrategien, um weiterhin in der Gemeinschaft mit der Person bleiben zu können. So ein Introjekt ist daher eine Überlebens-Strategie. Ich nehme die mir präsentierte Umgebung zwar an, mache davon ein inneres Bild und gehe damit irgendwie um, aber gefühlt bleibt das Bild und die in mir erzeugte Wirkung für mich unangenehm.

Das Introjekt kann eine innere Stimme sein, dass Du unbedingt alles richtig machen musst. Innerlich hörst Du dich zu Dir selbst sagen: “Schon abschicken? Schau doch noch mal genau hin, ist es auch wirklich perfekt. Bist Du Dir auch wirklich sicher?” “Bevor Du das Arbeitsergebnis abgibst, ist es wirklich unangreifbar. Ich überprüfe es doch lieber doch noch mal und hier könnte ich noch und da könnte ich noch …” “Ich muss es diesmal unbedingt richtig machen, sonst gibt es wieder Stress mit…” (Was auch immer diese innere Stimme bei Dir dann formuliert.) Manch einer sucht sich einen Beruf, in dem man diese innere Stimme voll ausleben kann und muss, wie etwa Augenarzt mit Spezialisierung auf Augenlasern oder Zahntechniker. Schwierig wird es trotzdem, wenn nicht das ganze Leben aus der Tätigkeit besteht, die Perfektionismus verlangt und man diesen inneren Druck für andere Lebensbereiche nicht abstellen kann.

D.h., der innere Druck zum Perfektionismus will Dich nicht fertig machen. Er will dich immer noch vor irgendwelchen unangenehmen Folgen in Deiner Kindheit schützen. Wenn Perfektionismus Deine Strategie war (es gibt unterschiedliche Introjekte, Du musst mehr arbeiten, sonst… Du musst ganz still sitzen und kein Mucks von Dir geben, … Du darfst nie auffallen, sonst …), dann hast Du diese Strategie sehr, sehr gut - eben gerade zu perfekt :-) - in Deiner Kindheit und bis heute eingeübt. Den inneren Muskel: mal alle fünfe gerade lassen, den hat man gar nicht erst entwickelt. Dadurch kommt in jeder Art von unsicherer Situation oder Herausforderung dieser innere Anteil - dieses Introjekt - in uns nach vorne. Wie automatisch - wie ferngesteuert. Dann stellt dieser innere Anteil fest: ich kann die Situation am besten händeln, lass mich mal machen! Automatisch, auch wenn man das gar nicht will!

Ich kann nicht einfach von einem Tag auf den anderen beschließen, nicht mehr perfekt sein zu wollen.

Ein Introjekt hat eine wichtige Funktion: Dein Überleben sichern

Dein innerer Antreiber zum perfekt Sein ist nicht selbst zerstörerisch gemeint. Das ist absolut loyal gemeint. Auch wenn es sich anfühlt wie eine Autobahn ins Ausgebrannt sein, in Erschöpfung und Burnout.

Dieser Anteil in uns ist auf Überleben in der Kindheit ausgelegt. Und er ist nicht aktualisiert. D.h., dieser Anteil weiß nicht, dass Du schon erwachsen bist und für jeden um Dich herum die 80/20-Regel gilt, nur nicht für Dich. (Die 80/20-Regel: Das sog. Pareto-Prinzip. Normalerweise ist es allgegenwärtig.) Im Überlebensmodus ist das Pareto-Prinzip ausgeschaltet - evolutionär nur 80% Überleben wäre quatsch gewesen. Dann wäre man vom nächsten Woll-Nashorn aufgespiest worden. Wenn Dein Introjekt übernimmt, bist Du im Überlebensmodus, ohne es zu merken. Und Du fühlst Dich häufig klein und machtlos. - Es stammt noch aus einer Zeit, in der man klein und machtlos war.

Der Überlebensmodus

Wenn man sich im Überlebensmodus wieder findet, ist der Neo-Kortex - unser Großhirn fürs sinnvolle Denken - schlicht und ergreifend abgestellt. Der ist nicht zugreifbar. Es verhallt ins Leere, sich z.B. zu sagen: “Entspann Dich mal.” Wichtiger ist doch gerade, zügig ein sinnvolles Ergebnis abzuliefern, statt etwas Perfektes.” “Verbessern kann man es nach dem ersten Testlauf immer noch.” “Mein Kind will auch, dass ich nach Hause komme!” Den inneren Überlebensmodus namens Perfektionismus anschreien - “Jetzt Lass Diesen Scheiß Endlich!” - hilft nicht: Der ist nämlich gerade mit Überleben beschäftigt. Wer lässt sich schon <dabei von der Seite anbrüllen und ablenken?

Was sind Deine Erfahrungen mit Perfektionismus? Bringt es Dich in Erschöpfung und Überforderung mit den täglichen Anforderungen? Brauchst Du ihn manchmal, manchmal wäre es schön, wenn Du ihn abstellen könntest? Teile Deine Erfahrung dazu gerne mit und schreibe unten einen Kommentar.

Perfekt gegen die Perfektionismus: die praktische Arbeit

Wenn Du wissen willst, was hilft, dann lies den nächsten Post.

Dort verrate ich Dir, wie Du aus dem Flucht-und-Kampf-Modus aussteigst. Anstelle dessen Deinen Neo-Kortex anstellst. Damit Dein Perfektionismus zur Superpower wird, die Du bewusst ansteuern kannst, wann immer Du sie brauchst und abstellst, wenn Du gerade etwas anderes brauchst.

PS: Der Mann auf dem Bild oben hat übrigens (wahrscheinlich ganz unbewusst) eine volle Stress-Abbau-Haltung eingenommen. Genauer erklärt: Mit dieser Haltung - beide Hände vesschränkt unter die Achseln geklemmt - kann man aus der Sicht der Energiemedizin (basierend auf der traditionellen chinesischen Medizin) den Dreifacherwärmer-Meridian/RadiantCircuit (für unseren Stresshaushalt zuständig) und den Milzmeridian (zuständig für die Verarbeitung von Input - egal ob Essen oder seelischen Eindrücken) ausgleichen. Dadurch fährt die Stressreaktion im Körper etwas runter und man ist denkfähiger. Sieht man häufiger in Meetings, dass Leute unbewusst solche Haltungen einnehmen.

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