Was ist Traumatherapie?

Traumatherapie ist eine auf seelische Traumata spezialisierte Psychotherapie. Das Wort Trauma stammt aus dem Griechischen und bedeutet “Wunde”. Daher sprechen manche Fachärzte von Traumata und meinen damit eine Verletzung am Körper. In der Traumatherapie geht es um seelische Wunden. Diese wollen ebenso geheilt werden wie körperliche Wunden. Sie schmerzen auch nicht unbedingt weniger als körperliche Wunden - auch wenn sich das ein wenig anders zeigt, z.B. durch Depression, Alpträume, Burnout, Depersonalisierung, Einsamkeit, psychosomatische Beschwerden, Gefühlsschwankungen, Gefühle von Verfolgtsein oder Angst und Panik.

Macht man durch die “Heilung” seelischer Wunden die Vergangenheit ungeschehen?

Das vergangene Geschehen, das die seelische Wunde hinterlassen hat, lässt sich durch eine Psychotherapie nicht ungeschehen machen. Man kann ein Trauma nicht einfach “weg-machen”. So gerne wie das ein Therapeut auch tun würde. Die Vergangenheit bleibt die Vergangenheit. Man könnte auch einen Armbruch nicht ungeschehen machen - nur im Nachhinein heilen.

Seelische Heilung tritt dadurch ein, indem man sich auf das ausrichtet, was man im Leben wirklich erleben will und die verletzenden Erfahrungen von damals “integriert”. Dadurch schließen sich die seelischen Wunden und lösen keine psychischen oder psychosomatische Symptome mehr aus. Sie werden zu einem Teil der eigenen Geschichte, der nicht mehr aus dem Fluss der Erinnerung heraussticht als andere Erinnerungen. Ziel ist: Ein tiefgreifendes, entlastendes Okay damit erreichen, dass es früher nicht okay war; sich stattdessen als selbstwirksam im eigenen Leben wahrnehmen und eine unbewusste Ohnmacht überwinden, die die traumatisierenden Ereignisse in der Vergangenheit ausgelöst hatten. Dadurch kann sich das Leben von Grund auf neu gestalten - wie Phönix aus der Asche. Ihr Leben!, welches Sie mit Freude und Dankbarkeit wirklich leben wollen.

Der Prozess der Integration ist keine Raketenwissenschaft. Was es braucht, ist Geduld mit sich selbst, einen sicheren Raum, ein achtsames, liebevolles Bezeugen des gerade vorhandenen Schmerzes und ein Annehmen, so wie es ist, in Mitgefühl. Zur Traumatherapie gehören verschiedenste Interventionsmöglichkeiten, die sich je nach Ausrichtung der jeweiligen Traumatherapie auch unterscheiden können. Ein Aspekt ist die Integration verschiedener innerer Anteile, oft auch als innere Kindheilung bezeichnet. Auch EMDR oder hypnotherapeutische Ansätze gehören z.B. zu meinen therapeutischen Ansätzen. Meine Ausbildung basierte v.a. auf der Arbeit von Ellert Nijenhuis, Luise Reddemann, Kathy Steele, Francine Shapiro und David Grove.

Was sind eigentlich Traumata?

Traumata können allgemein durch überlastende Erlebnisse ausgelöst werden, die im Nachhinein nicht in der Psyche verarbeitet werden könneen. Was als überlastend von einem Menschen wahrgenommen wird, ist sehr indivduell. Ein Vergleich zu anderen Menschen in ähnlichen Situationen macht keinen Sinn. Es ist nur wichtig, ob man selbst seelische Wunden davon getragen hat, die die Lebensqualität reduzierende Symptome auslösen.

Einfaches Beispiel: Zwei Menschen haben einen ähnlichen Fahrradunfall, bei dem sie über das Lenkrad vom Fahrrad geschleudert werden. Der eine bricht sich Elle und Speiche und braucht intensive medizinische Betreuung, damit seine Arme wieder ihre volle Funktionsfähigkeit zurückerhalten, der andere kommt mit einer Verstauchung des Handgelenks davon und ist nach zwei Wochen wieder fit. Hier käme auch kein Arzt auf die Idee, zu vergleichen und zu behaupten, die Knochenbrüche würde man sich nur einbilden, weil der andere schließlich auch keine ernsten Brüche erlitten habe.

Traumatisierungen können durch langanhaltende Erlebnisse, wie z.B. Mobbing oder Missbrauch, oder durch einmalige Erlebnisse wie z.B. ein Sportunfall oder eine Naturkatastrophe, ausgelöst werden. Es gibt Erlebnisse, die bei den meisten Menschen Traumatisierungen hinterlassen können. Klassiker sind Bürgerkriegszustände, schwere Zugunglücke oder Tsunami. Andere Erlebnisse lösen nur bei manchen Menschen Traumatisierungen aus, bei anderen nicht. Leider können wir gerade als Kinder seelische Wunden davon tragen, die mit ins Erwachsenenleben getragen werden.

Es können sogar kleine Unannehmlichkeiten Traumatisierungen auslösen, wenn sie immer wieder und wieder auftreten und man sich dem über langen Zeitraum nicht entziehen konnte, wie das in der Kindheit der Fall sein kann, oder wenn man im Zeitpunkt des Geschehens geschwächt und angreifbar war.

Was benötigt eine Traumatherapie?

Ein sicheres Umfeld: Unser seelisches System ist genau so auf Heilung ausgelegt wie unsere körperlichen Zellen, wenn wir verletzt werden. Allerdings benötigt es dazu eine gewisse “Heilumgebung”. Die Zeit allein heilt keine seelische Wunden. Seelisch kommen wir nicht an bestimmte innere Vorgänge, egal wie viel Zeit vergangen ist, solange bestimmte Situationen noch anhalten oder immer wieder auftauchen. Situationen: in denen man seelisch überlastet wird, oder Kontakt zur Täterin oder zum Täter oder zu ähnlich wirkenden Personen hat, oder in denen man das verletzende Verhalten der Vergangenheit noch (unbewusst) wiederholt. Wer kennt das nicht? Man will eine Situation verändern und kommt doch immer wieder an den gleichen Punkt. Das tut man für gewöhnlich automatisch, weil die Verhaltensmuster so vertraut sind. In der Regel versetzt man sich nicht immer wieder in vergleichbare Situationen freiwillig und bewusst - auch wenn man sie durch das eigene Verhalten verursacht.

Daher gehört zu einer Traumatherapie auch immer wieder dazu, sich seiner Umgebung bewusst zu werden und nötigenfalls zu ändern - mit Unterstützung des Therapeuten. Ein Gefühl der Sicherheit aufbauen und pflegen. Man muss also nicht ein perfekt sicheres Umfeld haben, um eine Traumatherapie beginnen zu können. Stabilisieren und neu ausrichten gehört als fortlaufender Prozess zur Therapie dazu. Niemand, der mit seinen Traumatisierungen zu tun hat, schafft es, sich immer wohl und ausgeglichen in seinem Leben zu fühlen. Das Mindestmaß an Sicherheit ist meist dadruch bereits erreicht, dass genug Energie hat, um sich einen Therapeuten oder eine Therapeutin zu suchen, die zu einem passt und die Finanzierung der Therapie ermöglicht. Denn das sind schon für viele an Traumatherapie interessierte Menschen Hürden.

Warum eine als sicher wahrgenommene Umgebung so wichtig ist? Das ist eine logsche Folge der Evolution. Wir sind ein Verbund aus Körper und Seele. Der Körper kann erst dann Heilung zulassen, wenn er seine Umgung als sicher wahrnimmt. Ansonsten aktivieren wir bei Gefahr unseren “Flucht- und Kampfmodus” - unser Stresssystem. Wir leben mit einem schon lange existierenden Körper. Welcher Mensch hätte überlebt, wenn er sich mit seinen seelischen Vorgängen beschäftigt hätte, solange ein “Säbelzahntiger” vor ihm steht. Mit seiner Seele beschäftigt man sich anschließend… Dass wir im modernen Leben statt mit einem Säbelzahntiger vielleicht eher mit einem gestressten Chef oder mit einem permanenten Fluss an Emails im Büro oder mit der anstrengenden Schwiegermutter “kämpfen”, kann der Körper nicht unbedingt einschätzen.

Vertrauen zur Therapeutin: Wir haben unterschiedliche Modi, in denen der Körper arbeitet. Jeweils passend dazu werden Hormone ausgeschüttet. Unser Stresssystem will uns aus Gefahren retten - bei Kampf-, Flucht- oder Erstarren spielen Stresshormone wie z.B. Adrenalin eine große Rolle. Der Körper stellt weniger Energie für das Immunsystem, Verdauung oder Zellerneuerung zur Verfügung. Dann ist der Körper weder auf Heilung noch auf Bindung ausgerichtet. Dann gibt es den “Wetteifer”-Modus. Darin wollen wir Dinge erreichen. Die Welt unmarmen und sich darin großartig fühlen. Einfach mal was reißen. Dann spielt Dopamin eine Rolle. gibt es noch den Modus der Bindung, der Ruhe, des Zusammensein eine große Rolle für uns. Oxytocin führt hoch. Diese Darstellung ist vereinfacht. So können Säugetier-Mütter (einschließlich menschliche) durchaus aus dem Oxytocin-Modus der Bindung zu ihrem Nachwuchs ohne Zeitverlust direkt in Agression übergehen, wenn ihr Nachwuchs gefährdet ist. Aber so ungefähr stimmt die Richtung.

Im Modus der Bindung kann das Immunsystem am besten arbeiten - der Körper kann sehr effektiv körperlicher Heilung nachgehen. Es entsteht Raum, seelische Wunden zu “integrieren”. In diesem Modus können wir am besten Neues lernen. Am Anfang einer Therapie steht daher, Vertrauen zur Therapeutin aufzubauen - und zum Prozess in der Therapiesitzung. Ziel ist, diesen Raum des Vertrauens außerhalb der Therapie für sich auszudehnen und immer mehr Zutrauen ins Leben zu entwickeln. Ähnlich wie bei Kindern - fühlen sie sich sicher gebunden zu einer Bezugsperson gehen sie auf Entdeckertour. Je mehr sie sich entwickeln, desto mehr übernimmt

Geduld: Man kann nicht einfach auf einen Knopf drücken und dann sind die seelischen Wunden alle verheilt und man ist ein hochadaptiver Mensch im eigenen Leben. Auch wenn ein Chirurg einen komplizierten Knochenbruch zusammengesetzt hat, beginnt die eigentliche Heilarbeit erst danach. Und das kann dauern - wie die meisten wissen, wenn sie einmal eine schwerere Verletzung am Körper überwunden haben. Oft nagt es dann am eigenen Faden der Geduld. Es wäre so schön, wenn es schneller ginge. Geduld sich selbst gegenüber zu entwickeln ist ein entscheidender Schritt der Integration und zugleich Basis für eine wundervolle neue Beziehung zum Leben an sich. Eine Therapie dient einem gründlicheren Wandeln von Lebensinhalten. Seelische Wunden sollen sich verlässliche schließen. Die Geduld für sich und den eigenen Prozess zu entwickeln hilft, das gesamte Leben viel freudvoller und intensiver gestalten zu können.

Eine Therapie ist nicht auf ein konkretes, klar umrissenes Ziel ausgerichtet wie im Coaching. Deswegen lässt sich im Vorfeld nicht sagen, wie lange eine Psychotherapie dauert. Geduld mit sich ist im Grunde einerseits Voraussetzung und andererseits schon ein erster Schritt der Heilung. Heilung geschieht immer im eigenen Rhythmus. Auch kann es zu Hochs und Tiefs während der Therapie kommen.

Je nachdem, was man vor der Therapie schon in sich selbst an Selbstreflexion und Selbstmitgefühl investiert hat, wieviel Zeit man aktuell für Selbstfürsorge hat und wie tief die alten Wunden sind, kann es von Monaten bis mehreren Jahren dauern. Ein einmaliges Trauma, wie z.B. ein Arbeitsunfall, wird die Psyche möglicherweise schneller integrieren können, als jahrzehntelangen Missbrauch oder Vernachlässigung im Kleinkindalter. Geduld ist auch deswegen wichtig, weil eine Retraumatisierung verhindert werden sollte. Denn dann kann keine Heilung stattfinden - auch wenn ich ernsthaft schon Coachs oder Therapeuten erlebt habe, die ihren KlientInnen eine Retraumatisierung als einen ganz “tollen” Schritt Richtung Heilung verkauft haben.

Das eigene Leben - eine Reise zu sich selbst

Ich verstehe Traumatherapie auch als Reise zu sich selbst, weil sie immer auf ein selbstwirksames Leben ausgerichtet ist und nicht nur alte Wunden heilen will. Oft kommen KlientInnen in eine Traumatherapie, nachdem sie schon Psychoanalyse, Verhaltens- oder Gesprächstherapie hinter sich haben. Dann kann schon viel Reflexion stattgefunden haben. Eine wunderbare Basis - aber aus traumatherapeutischer Sicht geht es dann erst los. Denn aus der Analyse, wie etwas im eigenen Kopf funktioniert, kommt man oft nicht zu einer anderen Gestaltung des Lebens.